Obstgarten, 1992

 

14 Obstbäume / 14 fruit trees

120 × 40 × 40 cm bis / to 200 × 100 × 100 cm

(Foto / Photo Alexander Krause)

 

Obstgarten2

 

Daniel Bräg setzt Bäume Diese Aussage greift vor auf ein geplantes Langzeitprojekt des Künstlers und ist gleichzeitig eine verkürzte Aussage zu den Arbeiten, die unter dem Titel »Obstgarten« schon entstanden sind: Hier legt Daniel Bräg Bäume, er »setzt« zersägte Obstbäume zusammen in einer Schichtung zum stereometrischen Körper. In der Langzeitstudie »Versuchsfeld für Obstbäume« plant der Künstler Obstgewächse (Apfelsorten, Brombeeren, Himbeeren, Erdbeeren u.a., alles Gewächse der Gattung Rosengewächse) unter »plastischen, räumlichen und zeitlichen Gesichtspunkten« zu untersuchen. Ein Garten wird angelegt, Wachstumsvergleiche angestellt, ein Herbarium ganzer fruchttragender Bäume entsteht aus der Pressung von Bäumen zwischen großen Steinplatten, das Obst wird geerntet und verarbeitet. Wenn die Pflanzen keine Früchte mehr tragen werden sie zersägt und verbleiben aufgeschichtet an Ort und Stelle. Das Versuchsfeld fasst Arbeitsansätze des Künstlers zusammen und erweitert sie in einem kontinuierlichen Laboratorium zur Generierung plastischer Form. Die wissenschaftlich empirische Methode erfährt eine Verschiebung zum Interesse der Kunst. In den Arbeiten der letzten Jahre hat sich Daniel Bräg zur Entwicklung plastischer Form an natürlichen Wachstumsgesetzen orientiert. In »Systemfelder« etwa führen Wachstumsvergleiche verschiedener Nadelbaumarten zur plastischen Ordnungsstruktur: das Wachstum je eines Jahres dient als Schnittstelle zur Skulptur; hier das Ausschlagen der jährlichen Astkrone, dort der Einschnitt, die Manipulation zur Kunstform. Die natürliche Organisation als Grössenordnung der Kunst, Zeit als Maß der Skulptur. Die Beziehung vegetativer Regelhaftigkeit und Ordnungsstrukturen künstlerischer Praxis ist Grundlage auch von »Obstgarten«. Abgestorbene, aus ihrer Nutzung entlassene Obstbäume werden zerlegt und in Einhaltung des natürlichen Oben und Unten des Baumes zu kompakten, kubischen Holzstössen geschichtet und als Gruppe im Raum plaziert. Diese Holzstösse kennt jeder, auch Daniel Bräg, aus der wirtschaftlichen Nutzung von Bäumen, in transportgängiges Maß zerlegt, zu Kuben geschichtet und je nach Nutzungsabsicht zum sofortigen oder späteren Abtransport plaziert. Für den Waldarbeiter sind pragmatische Gründe ausschlaggebend, das künstlerische Auge wählt sich die Lagerung zur Plastik. Auch lässt der Künstler die selektion in nützliche und nicht nützliche Baumtzeile weg, er erhlät die Gesamtheit des Baumes, von der Wurzel bis ins feine Geäst der Krone. Sein zersägender Eingriff richtet sich nach der Größe des Baume: das Grundmaß des Holzkubus soll die Proportin des Baumes und vor allem seine Ausdehnung in die Höhe nachvollziehen, dem Baum liegend die Höhe erhalten bleiben. Vormals Vertikales liegt horizontal, Höhenwachstum ist Lagerung, Ablagerung als Verdichtung von Natur zur Plastik. Die Beziehung, die das Material Holz mit seiner immer noch erkennbaren natürlichen Herkunft mit der geometrisierenden, künstlerischen Ordnung eingeht, ist Abbild des Zustandes fast all unser heutigen Natur. Sie ist immer schon Kulturform: als Wald, als Garten, als Monokultur, als Flußlauf. Nur an wenigen Orten unserer Erde ist Natur noch nicht »angelegt«, noch nicht gleichzeitiges Symbol für mögliche Beherrschung der Natur und die Sehnsucht nach dem Natürlichen. Natur begegnet uns heute immer als Metapher des zugleich gestaltenden Menschen und auch als Scheitern dieser Machtnahme. Heute, wo nach der Erhaltung der Natur in Parkanlagen, Grüngürteln, Naturschutzgebieten etc. die »Renaturierung« allerortes als Wiederherstellung von Natur versucht wird, verweist Kunst, die die idealisiete Form der Geometrie in Beziehung setzt zur Phyaiognomie der Naturform auch auf die Sitlisierung und die immer wieder verletzende Beziehung dieser Begegnung. In ihrer aufgetürmten Fragilität erinnern die Holzstapel daran, dass der Baum ohne bodenfassende Wurzeln nur im labilen, dauernd bedrohten Gleichgewicht verharrt. Was ist Kunst? Was ist Natur? Daniel Brägs Forschungen zur Plastik betreffen die Frage wie die Natur Form erstellt und antwortet indem sie die Natur versteht.

Beatrix Ruf Juni 1993

 

Daniel Bräg -Holzstöße- 9

 

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